1

Ironman Hawaii 2018

Bericht von Alexander Wolf

So, drei Nächte sind vergangen seit dem Zieleinlauf auf dem Ali’i Drive. Die erste war, wie oft nach solch einer Anstrengung, eine Mischung aus Erschöpfung und aufgekratzt sein, also eher unruhig und kurz, die zweite dafür ganz ordentlich. Die letzten beiden Tage waren Entspannung pur, was einem nicht schwer fällt auf dieser wundervollen Insel. Während ich die nachfolgenden Worte schrieb, saßen wir an dem Strand, wo Janine und ich vor fünf Jahren unsere hawaiianischen Hochzeitszeremonie erleben durften. Ab und zu streckte eine Schildkröte ihren Kopf aus dem welligen Wasser. – Heute sind wir nach Kauai, eine der Nachbarinseln geflogen, um uns noch ein paar Tage zu erholen.

Die Nacht vor dem Wettkampf war um 03:45 Uhr zu Ende, obwohl wir den Wecker eigentlich erst um 04:30 Uhr gestellt hatten. Aber da wir bereits um 20:30 Uhr ins Bett gegangen und sofort eingeschlafen waren, war es uns wohl wichtiger, die letzten Vorbereitungen vor dem langen Arbeitstag in aller Ruhe vorzunehmen.

Um 05:30 Uhr setzte mich Janine am King Kamehameha Hotel ab, welches im Zentrum Konas und im Mittelpunkt des ganzen Ironman-Geschehens steht. Die Abgabe des Special-Need-Beutels, das Bodymarking und das Wiegen verliefen sehr zügig, so dass reichlich Zeit blieb, sich in eine der langen Schlangen vor den Toiletten einzureihen. Dann mussten noch die drei Maurten-Flaschen zum Rad gebracht und der Luftdruck überprüft werden. Hier gab es eine Schrecksekunde, als die Luft nach dem Aufpumpen mit einem lauten Zischen entwich. Erst nach drei weiteren Versuchen und einigem Rumgewackel am Ventil blieb die Luft da, wo sie sollte.

Nachdem die Kanone einmal für die 56 Profi-Männer und ein zweites Mal für die 41 Profi-Frauen geknallt hatte, war es Zeit, mich zusammen mit etwa 1700 männlichen Agegroupern in das warme Wasser des Pazifiks zu begeben. Ich habe mir noch die Zeit genommen, dem Ertönen der Puh (Muschelhorn) und den hawaiianischen Gesängen zuzuhören, bevor ich die 100 Meter zur imaginären Startlinie geschwommen bin. Nach fünf Minuten Wassertreten knallte unser Böllerschuss und der Ironman Hawaii 2018 begann.

Das Schwimmen war sehr wechselhaft. Mal konnte ich völlig frei schwimmen und sogar die Fische unter mit wahrnehmen, mal war ich plötzlich mitten drin in einer Schlägerei. Meine Taktik war dann eher defensiv, was sicher ein paar Sekunden kostete, aber Nerven schonte und vor allem Kraft sparte. Auf dem Rückweg sah ich dann wieder Fische unter mir, ziemlich große! Ach nee, das waren diesmal Taucher. (Vier Tage vorher war ich beim morgendlichen Schwimmen mitten in eine Delfin-Schule geraten. Die Delfine waren direkt neben mir, zum Greifen nah, aufgetaucht! Ein Traum!)

Die Wechselzone bei dieser Langdistanz-Weltmeisterschaft ist echt der Knaller! Es ist schon ein logistisches Kunststück, so viele Räder auf so wenig Platz, die der Pier bietet, unterzubringen. Von hier aus ging es auf die Radstrecke, größtenteils durch die beeindruckenden Lavafelder von Big Island. Aufgrund des Massenstarts und der hohen Leistungsdichte der Athleten ist es zunächst kaum möglich, fair und regelkonform zu fahren. Schade, dass es immer wieder größere Gruppen gibt, die offensichtlich bewusst den Windschattenvorteil ausnutzen. Soweit ich es mitbekommen habe, wurden nur die dreistesten „Lutscher“ mit einer Fünf-Minuten-Strafe belegt. Naja, nach ca. 50km war das Thema – zumindest in meiner Umgebung – erledigt und wir konnten ordentlich weiterfahren. Die Bedingungen waren super: Angenehme Temperaturen, teilweise Wolken und keine kräfteraubenden Gegenwinde, die einem wie ein heißer Föhn ins Gesicht blasen können. – Vor fünf Jahren hatte ich auf dem Rückweg vom Wendepunkt in Hawi massive Ernährungsprobleme bekommen. Die spannende Frage war also, wie ich diesmal mit der bereits in Lanzarote getesteten Maurten-Verpflegung zurecht kommen würde. Die Antwort: Alles bestens!

Also bin ich voll motiviert auf die Laufstrecke gegangen, wohlwissend, dass Janine bei Kilometer 1 auf mich wartete. Dann geht es ca. 10km an der Küstenstraße, dem Ali’i Drive, entlang. Der Kurs ist hier leicht wellig und – das bekam ich schnell zu spüren – wahnsinnig heiß! 30°C im Schatten, mindestens 45°C in der Sonne! Mir war klar, dass ich irgendwann platzen würde, wenn ich zu schnell weiterlaufe, also entschloss ich frühzeitig, das Tempo zu drosseln. Unten auf dem Ali’i Drive ist noch einiges los. Zuschauer stehen applaudierend am Rand und Anwohner spritzen mit ihren Gartenschläuchen Wasser auf die Athleten. Dann geht es die steile Palani Road hoch auf den Queen Ka’ahumanu Highway… und der eigentliche Kampf beginnt. Weitere 30km auf heißem Asphalt, kein einziger schattenspendender Baum weit und breit. Endlos langgezogene Wellen, dann der Abstecher zum Energy Lab. Runter ging’s noch, weil ein leichter Wind vom Meer kam, aber zurück (rauf) war es nur noch unerträglich! Von nun an bin ich nicht mehr durch die Verpflegungsstellen gelaufen, sondern habe angehalten, alles an Eis, Wasser, Cola, Red Bull und Schwämmen aufgenommen, was ich konnte. Wenn möglich habe ich die Unterarme kurz in eine der Eistonnen gehalten. Der Körper schrie: Hör auf!!! Der Kopf sagte: Bring das Ding nach Hause … und gewann.

Die letzten Meter auf dem Ali’i Drive zurück zu dem Punkt, wo 9:40h vorher der Wettkampf begonnen hatte, versuchte ich, so gut wie möglich zu genießen. Janine stand da und jubelte mir zu und ich war einfach nur glücklich! Im Ziel konnte ich noch die Arme hochreißen, bevor mich die Kräfte verließen. Ich wollte einfach nur noch sitzen oder liegen. Sofort wurde ich, wie jeder andere Ironman auch, in Empfang genommenen, in den After-Race-Bereich gebracht und mit dem Nötigsten versorgt. Überhaupt ist es gigantisch, mit welchem Engagement die Helfer hier im Einsatz sind. 5600 Volenteers, also zwei auf jeden Sportler, sind ein wesentlicher Bestandteil für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung.

Herzliche Glückwünsche an Markus Ganser, der hier sein 10. Rennen bei der Ironman Weltmeisterschaft gefinisht hat! (Hier sein Wettkampfbericht.) – Mein wahnsinniger Respekt gilt der Leistung des 86jährigen Hiromu Inada aus Japan, der kurz vor Mitternacht, also nur Minuten vor dem Zielschluss durch das Tor lief! In der AK80 gab es zwei Starter, die jedoch nicht ankamen. Und er war der einzige und in der Geschichte Hawaiis erste in der AK85. Beim Banquet of Champions, der traditionellen Siegerehrung am nächsten Tag, wurde er mit donnerndem Applaus geehrt, euphorischer als die beiden Weltmeister Daniela Ryf und Patrick Lange.

Mit großer Dankbarkeit blicke ich zurück auf die Saison. Sie begann mit der Vorbereitung auf den Qualifizierungs-Ironman in Lanzarote. Mit Hilfe von Arndts Unterstützung und begleitet von meinen tollen BSV-Sportsfreunden konnte ich die richtigen sportlichen Schwerpunkte setzen. Froh bin ich auch, dass mein Körper alles brav mitgemacht hat, denn das ist in meinem Alter auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Und glücklich bin ich, das meine Frau Janine immer an meiner Seite oder zumindest in meiner Nähe war und alles mitgetragen hat. Nur so war es mir möglich, dass ich am Samstag im Ziel die Worte von Mike Reilly hören konnte: „Alexander Wolf from Germany, 50 years old, You are an IRONMAN!“

Hier der Zeitungsbericht in den Aachener Nachrichten am 17.10.2018: